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Die gerechteste Jury
.,Ich male das, was ich während meiner Jugend verdrängen zu müssen glaubte, die Erlebnisse und Gesichter der Vorstadt, Köpfe mit unwiderstehlichen Blicken, die mir auf Minuten im Straßenbahnwagen begegneten, Menschen, die an einer Vorstadtplanke lehnen oder irgendwo im Hausflur sprechen, Namenlose, also vollkommen anonyme Gestalten meiner Zeit, die weder schön noch äußerlich bedeutsam sind, die aber alle die Stigmata unserer Gegenwart auf ihren Stirnen tragen. Anonyme Zeitgenossen fesselten auch Van Gogh, Daumier, Manet und sie malten in ihnen das Große, das symbolisch überdimensional aus dem Alltag wächst. Derartige anonyme Typen der weiter zurückliegenden Vergangenheit sind die von ihren Hofzwergen her gemalten Könige .des Velasquez, der japanische Wasserträger und der ägyptische Dorfschulze. Seelen solcher Kapazität drängen sich heran, hängen sich täglich in meinen Blick und ich schaffe. Stilmäßig bejahe ich den Expressionismus und Kubismus, letzteren als die jüngste große formale Idee. Den Surrealismus empfinde ich hingegen als eine literarische Angelegenheit, als eine perversierte Romantik. Dieser Stand¬punkt will aber nicht sagen, dass ich Experimente ablehne, wenn sie ehrlich gemeint sind. Der Kunst ihre Freiheit! Alle Versuche sind zu tolerieren, alle Türen offenzuhalten.
W M. Neuwirth.
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