Wechselbäder mit Kälte und Grauen |
Kurier, 12. Mai 1976 27
Meissner, Fink in der Secession
Mensch und Menschenwerk; bedroht, hinfällig, fragwürdig. Zwei Ausstellungen in der Secession sind diesem Thema gewidmet (bis 16. Mai). Man betritt das Haus und ist Wechselbädern ausgesetzt.
im Hauptraum zeigt Paul Meissner, bereits zum dritten Mal Präsident der Künstlervereinigung großformatige Acrylmalereien und Mischtechniken aus etwa 20 Jahren, einem Zeitraum, in dem er von Informel und Tachismus nach und nach wieder zur Figuration übergegangen ist.
Könner und Kenner
Die mit stupender Könnerschaft gemalten Bilder berichten - in Meissners weitausholender Handschrift - auch von der eminenten Kennerschaft des Künstlers: Er hat mehr als nur offenen Auges die Strömungen seiner Zeit beobachtet: Sie fließen in seine Werke mit ein. Die Erkenntnisse von Jahrzehnten sind hier souverän vereinigt.
Ob es sich aber um gespaltene Köpfe, durchgelebte Leiber, spitzige Skelette, brutale Gesichter handelt: Immer bleibt eine gewisse Distanz gewahrt, ein Abstand, eine gewisse Kühle, die zu den Inhalten nicht recht passen will und auf Meissners unabdingbarem ästhetischem Empfinden beruht. Ein vornehm zugenommenes Pathos. Haltung - auch angesichts des Grauens.
Liselotte Espenhahn
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