Transfigurationen des Lebens |
Wiener Zeitung, Freitag, 30. April 1976
In der Wiener Secession: Paul Meissner und Tone Fink
Eine imponierende Werkschau über die letzten fünfzehn Jahre zeigt Paul Meissner in der Wiener Secession. Dabei sind die großformatigen Gemälde, die den Erdgeschoßsaal mit ihrer dramatischen Wucht nahezu sprengen, nur eine kleine Auswahl aus dem tatsächlich vorhandenen Oeuvre.
Der stets auf den Pulsschlag seiner Zeit sensibel reagierende Maler bietet, wie nicht anders zu erwarten war, unterschiedliche, sehr ausgeprägte Phasen seines Personal¬stils, die dennoch logisch ineinander übergehen. 1960 ist in dem kompositorisch durchgefeilten „Triestiner Altar" noch die vorangegangene abstrakte Periode spürbar, dann formt sich die Figur zu expressiv Zeichenhaftem, wird fleischlicher, plastischer, raumhafter, immer aber noch in ausdrucksstarker Auseinandersetzung mit dem Helldunkel, neuerdings in eine Darstellungsform mündend, wo sich die spontane Flächenmalerei als Erbe der Abstraktion mit dem Abbildhaften des Menschen in schöpferischer Synthese vereinigt. Die sehe persönliche Bewältigung der formalen Probleme ist aber nur eine Seite im vielschichtigen Bild dieses Künstlers. Die andere, im steten spannungsreichen Austausch mit dieser, umfasst den geistigen Ausdrucksgehalt, wobei Intellektualität und Spiritualität den seltenen Fall einer harmonischen Verschwisterung eingehen. Die humanistische Grundstimmung Meissners führt ihn immer wieder zu der Beschäftigung mit dem lei¬denden, gequälten, ausgehöhlten Menschen. Im HiroshimaTriptychon und mehr noch in den zahlreichen Golgotha-Bildern wird der Weg vom Tod zur Transflguration, zu einem trotz aller Morbidität hoffnunggebenden Überwinden jenseits menschlicher Vorstellungen aufgezeigt. Die Inhalte sind zwei¬fellos nicht einer oberflächlichen Lesart zugänglich, sondern bedürfen meditativer Versenkung. Warum hängt man an Stelle platter modernistischer Dekorationsmalerei nicht solche zu geistiger Auseinandersetzung aufrufende Bilder in unsere modernen Sakralräume.
Buchsbaum
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