Paul Meissner
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Im Wiener Künstlerhaus: Paul-Meissner-Retrospektive
Paul Meissner wurde 1907 in Wien geboren und studierte bei Ferdinand Andri. Er war als Maler früh erfolgreich. Sie kennen sicher das berühmte Bild vom österreichi­schen Fußballwunderteam. Mit Hiden, Sindelar und Co. Dieses Bild stammt von Paul Meissner. Kürzlich sah ich in einem Wiener Innen­stadtgeschäft ein auffallend gut ge­maltes, kleines Ölbild. Ein farblich lebendig gemalter Akt auf einer Gartenbank. Das Bild stammt von Paul Meissner. Aus den dreißiger Jahren.Im Wiener Künstlerhaus wird al­lerdings ein ganz anderer Paul Meissner geehrt: Bilder von 1950 bis 1980- Abstraktes und Meissners Rückkehr zur Figur. Dreißig Jahre Malerei nach ein­schneidenden Erfahrungen in Meiss­ners Leben: die Erfahrung des Welt­krieges, der Atombombe auf Hirohima, des großen Menschenschlachtens. Meissner formulierte seinen Weg in die Abstraktion: „Ich gehö­re zu der Generation, die abstraktzu malen begann, weil sie die menschliche Fratze unverschleiert gesehen hat und ihr kein Abbild mehr setzen wollte."
Eine zutiefst deprimierte, depres­sive Haltung. So entstanden Bilder aus Form und Farbe. In düsteren Akkorden. Erst in den sechziger Jah­ren kommt wieder der Mensch in Meissners Bilder. Doch nicht mehr als siegverwöhnter Ballzauberer aus dem Praterstadion, nicht mehr als farbdelikater, reizvoller Akt, son­dern als blanke, entblößte Nackt­heit. Gekreuzigt. Geschunden. Sym­bole des Kreatürlichen. Brutale Ge­sichter. Gedrungene Figuren. An den flotten Konturen, an den Pro­portionen, an den sicher und breit gesetzten Pinselhieben in Grau, Schwarz oder Fleischrosa merkt man Meissners geübte, routinierte „Malerpranke".
Trotzdem wäre es sehr interes­sant gewesen, einmal auch den „frühen", positiven, farbfrohen Meissner der dreißiger Jahre zu se­hen. Der wäre für die Jüngeren heu­te aktueller. Vielleicht zur Abwechs­lung in „seiner" Secession.
Paul Meissner feiert heuer seinen 75. Geburtstag. Der be­kannte Maler war viermal Präsident der Wiener Künstlervereinigung Secession. Bezeichnend für Wiener Verhältnisse ist es, daß Meissners Jubiläumsausstellung zum „75er" nicht in der Secession, sondern gegenüber im Künstlerhaus stattfindet.
 
VON ERWIN MELCHART